Als im März dieses
Jahres zum ersten Mal ein Oscar für den besten Animations-Spielfilm
vergeben wurde, war der verdiente Sieger nicht einmal nominiert. Während
die drei vorgeschlagenen Werke "Shrek", "Die Monster
AG" und "Jimmy Neutron" zwar gute, aber nur bedingt
innovative Arbeit geleistet hatten, war Richard Linklater mit seinem
neuen Projekt "Waking Life" vollkommen neue Wege gegangen
- und wurde dafür komplett ignoriert. Ein weiterer Beweis dafür,
dass die veraltete Oscar-Akademie schon lange ihr Auge für wirklich
großartige Filmarbeit verloren hat. Wenn sie es denn je hatte.
"Waking Life" ist ein Animationsfilm, aber da hört
die einfache Klassifizierung auch schon auf. Unmöglich in ein
Genre einzuordnen, ist dieses Werk auch mit anderen Animationsarbeiten
nicht zu vergleichen. Das liegt schon allein an der Herstellungsweise:
Linklater filmte per Digitalkamera "normale" Sequenzen mit
richtigen Darstellern, übergab dieses Material dann einem ganzen
Haufen an Animationskünstlern, die den gesamten Film quasi nachzeichneten
- jede Sequenz von einem anderen Künstler. Das Endergebnis sieht
anders aus als so ziemlich alles, was man bisher im Kino gesehen hat,
und das hat gute Gründe. Denn das hier ist kein normaler Film,
und es geht auch nicht um normale Dinge.
"Waking Life" ist ein Film über Träume. Über
Leben. Über Tod. Und darüber, dass dies alles irgendwie
zusammenhängt, oder vielleicht sogar das selbe ist. Der Hauptcharakter
(gespielt von Wiley Wiggins aus Linklater's "Dazed and confused",
in diesem Film namenlos wie alle Figuren) bewegt sich durch eine Reihe
von Unterhaltungen, in denen ein breites Spektrum an Menschen (von
Wissenschaftlern und Philosophen bis hin zur Frau von nebenan) ihre
Gedanken über Leben, Existenz und andere ähnlich greifbare
Themen zum Besten geben. Geplagt wird er dabei von der wachsenden
Erkenntnis, dass er sich in einem Traum befindet - und es aus unerfindlichen
Gründen nicht schafft, aufzuwachen. Strukturell erinnert der
Film dabei an Linklater's Erstling, "Slacker", der bis heute
als einer der wichtigsten Independent-Filme der Neunziger gilt: Von
einer kohärenten Handlung kann keine Rede sein, relativ verbindungslos
wandert die Kamera von einer Szenerie zur nächsten. Es geht nicht
um die Präsentation eines Plots, sondern um die Vorstellung von
Ideen.
Wem das schon viel zu merkwürdig klingt, der ist in diesem Film
wahrscheinlich falsch aufgehoben. "Waking Life" ist kein
Film exklusiv für Philosophie-Studenten, aber
eine gewisse Tendenz, in diese Richtung zu denken, muss man wohl schon
mitbringen, um sich im Kino nicht schon nach wenigen Minuten ein wenig
verloren und deplaziert vorzukommen. Wer sich allerdings auch nur
wenige Male an einem schönen Sonntagnachmittag im Park ein paar
lose wandernde Gedanken über Wahrnehmung, Realität und andere
lustige Dinge gemacht hat, wird sich hier nicht nur zu Hause fühlen,
sondern sicherlich auch einige eigene Ideen wiederfinden. Wer z.B.
hat noch nicht versucht, seine Träume zu lenken, wenn es dafür
eigentlich nur des Bewusstseins bedarf, dass man gerade träumt.
Auch Julie Delpy und Ethan Hawke geben ein kurzes Gastspiel als die
Hauptfiguren, die sie in Linklater's Wien-Romanze "Before sunrise"
gespielt haben, um eine ihrer dortigen, thematisch vertrauten Gespräche
fortzusetzen. "Waking Life" ist nicht abgehoben. Er bündelt
lediglich die Art von Alltäglichkeiten, die mit dem Alltag nicht
mehr viel zu tun haben.
Und selbst wenn man als Zuschauer dem Ideen-Karussell nicht mehr folgen
kann oder mag, so kann man sich immer noch an der faszinierenden Animationsarbeit
erfreuen. Da jede der über 30 Sequenzen des Films von einem anderen
Künstler bearbeitet wurde, wechselt auch permanent der Zeichenstil
- allerdings nicht in solch dramatischen Schritten, dass es verwirrend
wirkt. Bewusst hat man sich
dabei gewisse zeichnerische Freiheiten genommen: Es werden nicht stur
Linien nachgezogen, sondern mit den Bildern gespielt, während
viele Elemente nur lose angedeutet werden. Konsequenz: Die Hintergründe
sind in ständiger Bewegung, wie in einem lebendigen Gemälde
kann man dem Kunstwerk quasi bei der Entstehung zusehen - und ist
sich zum ersten Mal bei einem Animationsfilm wirklich bewusst, 25
Bilder pro Sekunde zu sehen. All dies fördert natürlich
das Grundkonzept von "Waking Life", bei dessen Betrachtung
sich der Zuschauer bald ebenso träumend wähnt wie die Hauptfigur.
"Waking Life" ist einer dieser selten gewordenen Glücksmomente des Kinos, ein Film, der einfach komplett anders ist als alles andere, was man bisher gesehen hat, weil er sich nicht scheut, die Möglichkeiten seines Mediums auszunutzen - auch wenn das vorher noch keiner gemacht hat. Ein Film, der einem wahrlich den Kopf frei spült und zumindest für eine Weile die Augen und den Geist ein wenig weiter öffnet für all das, was um uns herum vor sich geht. Ein Film, der das Erleben so intensiv gestaltet, dass man sich in einem paradoxen Dilemma wiederfindet, wo man sich wünscht, möglichst lange derart wach zu sein, aber es gleichzeitig nicht abwarten kann, zu schlafen. Und zu träumen.
Ein Abenteuerfilm - für den
Ein Abenteuerfilm - für den Zuschauer!
Bringt einen zum Nachdenken.
Worin liegt denn nun genau der unterschied zwischen Wachen/Träumen und Filmanschauen?
Und ist die Hauptfigur der Films vielleicht in dem Moment in dem man sich den Film anschaut wirklich lebendig?
...
Ist was für Leute denen die Philosophie von "Donnie Darko" zugesagt hat.
2001 war in der Kinowelt was los...! Echt schade dass dann 9/11 und Herr der Ringe reingeknallt hat und so viele sensible Ideen zunichte gemacht hat.
Schön dass es diesen Film gibt.
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